Yep, I‘m Gay
homo.net Info vom 2. Juni 2022
von Webmaster Jan
Diese Woche lief die letzte Folge der „Ellen DeGeneres Show“, besser bekannt als „Ellen“. Nach 19 Jahren und 3.280 Folgen mit mehr als 4.000 Gästen tritt Ellen DeGeneres (64) ab. Mit dem Rekord von 32 Emmys führt sie die Liste der beliebtesten Talkshows der Geschichte an.
„Sei freundlich!“ war ihr Motto. Ihr tägliches „Be kind!“ heißt auf Deutsch neben freundlich auch nett, liebenswürdig, gütig. Mit vielen witzigen Ritualen, absurden Spielen, ausgelassenen Tanzeinlagen war die Show laut, schräg und gay im wahrsten Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: lustig, schwul, fröhlich, heiter, vergnügt, bunt und last not least schwul.
Mit Überraschungsgeschenken an Ellen und ihr Publikum sowie 450 Millionen Dollar Spenden für Bedürftige war „Ellen“ die Wohlfühlshow für die ganze Familie, weltweit bekannt auch bei uns. Singe, tanze, lache dich durchs Leben. Allen voran verkündete sie: „Be yourself“, sei Du selbst.
Als am 14. April 1997 die US-amerikanische Schauspielerin Ellen DeGeneres auf dem Cover des Time Magazins erschien, wurde sie quasi über Nacht Amerikas berühmteste Lesbe. Ihre Sprechblase auf dem Titel „Yep, I‘m Gay“, ja, ich bin schwul, wurde jenseits des Atlantik zum geflügelten Wort wie bei uns vier Jahre später das „Ich bin schwul - und das ist auch gut so!“ von Klaus Wowereit (68, SPD).
Ellen DeGeneres spielte damals in der Sitcom „Ellen“ eine neurotische Buchhändlerin. Zwei Wochen nach der Time Titelgeschichte outete sich auch ihre Serienfigur. Die erste offen homosexuelle Liebesszene im erzkonservativen amerikanischen Kabelfernsehen zog die voyeuristischen Blicke von 42 Millionen Zuschauern an. Fortan durfte die Show nur noch mit einem Warnhinweis ausgestrahlt werden. Die omnipräsente Empörung überwog schnell das voyeuristische Interesse. Die Einschaltquoten sanken rapide. Im folgenden Jahr wurde die Serie eingestellt.
Drei Jahre musste sich Amerikas jetzt bekannteste Lesbe mit kleinen Nebenrollen über Wasser halten und tourte als Alleinunterhalterin durch die USA. Ein neuer Versuch mit der Fernsehkomödie „The Ellen Show“ wurde nach nur 13 Folgen abgebrochen. Die Amerikaner waren nicht bereit, die Darstellung offener Homosexualität unterhaltend zu finden.
Sind sie es heute? Sind wir es heute? Noch immer gibt es ein riesiges Bohei, wenn sich Bürgermeister, Spitzensportler, Kirchenmitarbeiter, Soldaten oder Schauspieler outen. Mehr und mehr beeinflussen #MeToo- und Genderdebatten den politischen Diskurs, statt einfach gleiche Rechte und Pflichten für alle einzuführen und zur Tagesordnung überzugehen.
Schwule, Frauen, Neger, Behinderte, Afrikaner, Indianer, Eskimos führen jeder für sich einen zähen Kampf gegen Vorurteile und Diskriminierung, für Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Bei so vielen missachteten Minderheiten wären wir gemeinsam die Mehrheit.
Ellen stand und steht in allererster Front in diesem Kampf. 1986 war sie die erste Komödiantin, die in der Late-Night-Show von Johnny Carson (1925 - 2005) nach ihrem Auftritt auch interviewt wurde. Sie telefonierte damals mit Gott persönlich. Der war noch immer ein alter, weißer Mann mit grauem Bart. Als Gott anfing, ebenfalls Witze zu machen, waren diese so schlecht, dass Ellen genervt auflegte.
Die Moderation der Emmys kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York begann sie mit den Worten „Was könnte die Taliban mehr ärgern, als eine homosexuelle Frau in einem Anzug zu sehen, die von Juden umgeben ist?“
Einen der besten Eröffnungsmonologe aller Zeiten bescheinigten ihr die Kritiker nach ihrer Oskar Moderation 2014: „Alle Nominierten heute Abend haben zusammengenommen mehr als 1.400 Filme gemacht - und sechs Jahre College.“
Ellen: „Als wir die Show 2003 begonnen haben, gab es keine iPhones. Keine sozialen Medien. Die gleichgeschlechtliche Ehe war noch nicht legal. Wir haben gesehen, wie die Welt sich verändert, manchmal zum Besseren, manchmal nicht.“
Als sie anfing, was das Wort „schwul“ im TV verboten. Auch „Ehefrau“ durfte sie keinesfalls sagen, gleichgeschlechtliche Ehe war noch in weiter Ferne. Sie durfte nicht mal „wir“ sagen, weil das ja ein Hinweis darauf gewesen wäre, dass sie eine Partnerin habe.
Am Tag nachdem der kalifornische Senat das damals gültige Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aufhob, verkündigte Ellen ihre Hochzeitspläne. Seit 2008 ist sie mit der australischen Schauspielerin Portia de Rossi (49) glücklich verheiratet.
Schon 2018 verlängerte sie ihren Vertrag nur widerwillig und gab vor einem Jahr ihren Rückzug ins Privatleben bekannt.
Jetzt also Tränen zum Abschied und danach ihre wohl wichtigsten Abschiedsworte: „Ich hoffe, dass ich euch dazu ermutigt habe, dass ihr wirklich ihr selbst seid. ... Indem ihr euer Herz öffnet und euren Horizont erweitert, werdet ihr zu einfühlsameren Menschen; und das sorgt dafür, dass die Welt ein besserer Ort wird.“
Sei freundlich Du selbst
Jan
Webmaster
vom homo.net Team